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Donnerstag, 22. Juli 2004, 2:00 Uhr
Knast kann so schön sein ...
Hotel Glasmoor?
der nestscheißer | Da wird die idyllische Natur (einschließlich Neuntöter und Froschgequake) beschworen, 50 Betten der Luxuskategorie, Sportangebote und andere Freizeitgestaltungsmöglichkeiten und der offene Vollzug würden dafür sorgen, dass alle Verurteilten nach Glasmoor wollten. Sicher ist es angenehmer in Glasmoor zu sitzen als in Santa Fu. Die Bedingungen in Fuhlsbüttel sind der Normalzustand, die JVA Glasmoor ist nur für einige "privilegierte" Gefangene da. Und in einer Gesellschaft, die verstärkt auf Repression setzt, gesellschaftliche Probleme und Verwerfungen immer mehr durch Wegsperren und Abstrafen unter den Teppich zu kehren versucht, sind die im Artikel geschilderten Bedingungen untypisch.
Seit Ende 2003 ist in Santa Fu der Umschluss abgeschafft, dass heißt, die Gefangenen müssen 23 Stunden am Tag in (häufig überbelegten) Zellen verbringen. Schikanen der Anstaltsleitung wie Zellenrazzien, die Abschaffung des Spritzentausches oder die Beschlagnahmung von Literatur gehören zum Knastalltag, einige Gefangene waren zeitweise Bedingungen der Totalisolation unterworfen, das von Frau Linde-Lembke geschilderte Verlangen der Gefangenen nach Einzelzellen wirkt in diesem Zusammenhang zynisch. Am übelsten ist die Situation für die seit November 2003 in Fuhlsbüttel inhaftierten Abschiebegefangenen, dort ereigneten sich während des letzten Frühjahres mehrere Suizidversuche. Dass sich bis letzten Herbst der Hamburger Abschiebeknast in Glasmoor befand wird übrigens verschwiegen – was den Verdacht bestärkt, dass der Artikel (ob dies der Autorin bewusst war, bleibt dahingestellt) der Imagebildung dient: Für den Knast Glasmoor, der in den letzten Jahren von Teilen der Öffentlichkeit mit der Abschiebehaft und den hiermit verbundenen Skandalen verbunden wurde und für die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg unter Senator Roger Kusch (CDU), welche unter anderem durch die Repression in Santa Fu oder den Umgang mit JournalistInnen ins Gerede gekommen war.
Im Artikel wird geschildert, dass die meisten Gefangenen weder "gefährlich" noch rückfallgefährdet sind und sich auf ein Leben "in Freiheit" vorbereiten würden. Warum müssen Menschen dann überhaupt noch im Knast eingesperrt werden? Wahrscheinlich um sie weiter konditionieren zu können, sie zu funktionierenden Mitgliedern dieser kapitalistischen Gesellschaft zu erziehen, welche vor allem die herrschende Eigentumsordnung anerkennen und um das gesunde Volksempfinden, welches nach Abstrafung der Devianz ruft, zu befriedigen. Gefängnisse dienen darüber hinaus als allgegenwärtige Drohung gegen abweichendes Verhalten an diejenigen, welche sich noch in Freiheit befinden und sind nebenbei, da nicht an Tarifverträge gebunden, zuweilen profitable Unternehmen, da die dort arbeitenden Gefangenen, wie Heike Linde-Lembke richtig bemerkte, nur ein Taschengeld erhalten, dass sie dann in den in aller Regel überteuerten Knastläden ausgeben dürfen.
Schließlich bleibt noch auf eine durchaus interessante Bemerkung von Anstaltsdirektor Schuchardt hinzuweisen, dieser fügte an, dass die Grundstruktur für Straftaten schon in der Kindheit gelegt werde und daher auch der Vollzug vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Konsumdenkens da wenig ändern könne. Auf Grund seiner Position in dieser Gesellschaft und der damit verbundenen Ideologie kann mensch von einem Knastchef natürlich nicht erwarten, dass er die gesellschaftlichen Wurzeln erkennt und unter die sichtbare Oberfläche sozialer Strukturen vordringt. Aber richtig ist: die Eigentumsverteilung, der Ausschluss der meisten Menschen von der Verfügungsgewalt über Produktionsmittel und der daraus entstehende Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe ist Ursache von sehr vielen Handlungen, welche bürgerlich als Verbrechen bezeichnet werden. Unsere Forderung nach einer Gesellschaft ohne Knäste ist daher immer auch die Forderung nach der Überwindung des Privateigentums an Produktionsmitteln, der Warenproduktion und des Zwanges, seine Arbeitskraft als Ware verkaufen zu müssen um in dieser Gesellschaft zu überleben.
Neuntöter