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Dienstag, 1. Mai 2007, 2:00 Uhr
Nazi-Aufmarsch in Bad Bramstedt
Wenig Nazis, viel Gegenwehr
Info Archiv Norderstedt | Es war so ziemlich die unangenehmste Menschenansammlung, die Schleswig-Holstein zu bieten hat: Sie forderten "Arbeitplätze zuerst für Deutsche", nannten sich in ihren Parolen selber "frei, sozial, und national", machten sich auf T-Shirts über Opfer von neonazistischer Gewalt lustig. Wenn sie nicht gerade in Provokationsmärschen durch Städte und Gemeinden ziehen, huldigen sie ihren "Führer" mit Hilfe infantiler Zahlenspiele, nennen ihren Treffpunkt in Neumünster "Club 88" - übersetzt "Club Heil Hitler", bestreiten mehrheitlich den Holocaust, wünschen aber seltsamerweise den heute lebenden Juden so ziemlich jede mögliche Grausamkeit. In ihren Diskussionsforen sprechen sie von der Überlegenheit der eigenen "Rasse" etwa gegenüber "Negern", bringen aber selber nur selten einen korrekten deutschen Satz ins Internet.
Rund 90 dieser Nationalsozialisten und ihre Sympathiesanten (Zählung Info Archiv, laut Polizeipressemeldung sogar 130) marschierten am 1. Mai durch Bad Bramstedt. Weiträumig abgeriegelt von fast 500 Polizisten aus ganz Schleswig-Holstein zogen sie in einem Bogen durch die nördlichen Randgebiete der Kurstadt, während sich im Zentrum insgesamt fast 700 GegendemonstrantInnen versammelten. Diese hörten u.a. Reden von Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach, dem SPD-Bundestagsabgeordneten Jörn Thießen, der Grünen-Europaabgeordneten Angelika Beer und einen völlig deplazierten Beitrag des CDU-Landtagsabgeordneten Winfried Wengler. Wengler dankte im wesentlichen der Polizei für ihr Erscheinen und verglich einige GegendemonstrantInnen mit den marschierenden Nazis: Man müsse vor "rechten ebenso wie linken Feinden der Demokratie" warnen. Später löste sich diese Versammlung am "Bleek" mehr und mehr auf, weil die TeilnehmerInnen versuchten, sich in kleinen Gruppen dem Nazi-Aufmarsch zu nähern.
Obwohl die Polizeiführung in der Folge bemüht war, keinerlei Kontakt zwischen den beiden Demonstrationen zuzulassen, kam es am Rande des Nazi-Aufmarsches immer wieder zu Rangeleien zwischen Polizeikräften und meist jungen AntifaschistInnen. Zuletzt bei Abfahrt der Faschisten am Bahnhof: Dort versammelten sich gegen 15 Uhr noch einmal fast 400 GegendemonstrantInnen sowie Schaulustige und ließen die Abschlusskundgebung der Nazis in einem Pfeifkonzert untergehen. Hier wurde aber auch deutlich, dass sich den überwiegend auswärtigen Faschisten vereinzelt Bramstedter Jugendliche angeschlossen hatten: Kurz nach Ankunft des braunen Aufmarsches befahlen Eltern ihren Sohn aus dem Aufmarsch zu sich und zwangen ihn mit sich nach Hause.
Am Ende des Spuks waren schließlich 8 Menschen festgenommen- (darunter mindestens 2 Neonazis) und 33 Platzverweise ausgesprochen worden. Zwei DemonstrantInnen wurden verletzt, einer allerdings schwer: Ihm wurde bei der Festnahme der Arm gebrochen. Dabei ging die Polizei insgesamt vergleichsweise zurückhaltend vor. Zwar nahm die Polizeiführung den Aufmarsch - wie bei solchen Anlässen üblich - zum Vorwand, den betroffenen Ort in eine Art polizeiliches Heerlager zu verwandeln - verzichtete aber weitesgehend auf Knüppel- und Wasserwerfer-Einsätze. Lediglich die eigenständige "Festnahmeeinheit" fiel unangenehm auf: Teils sehr aggressiv, auch unter dem obligatorischen Helm mit einer Motorradmaske vermummt griff die Einheit gezielt DemonstrantInnen aus der Menge oder mischte sich unter die Demo-TeilnehmerInnen, um zu provozieren.
In Bad Bramstedt wurde am 1. Mai deutlich, dass die nationalsozialistische Szene in der Region nach wie vor kein Bein auf die Erde bekommt. Zwar waren an diesem Tag namhafte Führungspersonen aus NPD und Kameradschaften andernorts tätig, aber (fast) ganz ohne örtlichen Rückhalt hätten auch sie keine bedeutende Versammlung auf die Beine stellen können. Der unangenehme Mob jedenfalls musste bis auf wenige Ausnahmen nach Kiel und Neumünster zurückreisen - zum Segen Bad Bramstedts und zum Nachteil ihrer Heimatorte. Die Proteste gegen die Faschisten hingegen fielen überraschend groß aus: So hatte wohl kaum eine der aufrufenden Gruppen mit mehr als 600 TeilnehmerInnen gerechnet. Zwar verließen etliche von Ihnen nach ein, zwei Stunden auch wieder die Aktionen, rund 400 aber leisteten bis zur Abfahrt der Faschisten Widerstand. Bedrückend nur, dass Neonazis am 1. Mai bundesweit fast 4.000 Anhänger auf die Straße bringen konnten. Da tröstet es nur wenig dass zeitgleich mehr als 10.000 Menschen gegen sie demonstrierten und alleine in Berlin, Hannover und Hamburg mehr als 30.000 Menschen den Gewerkschaftsaufrufen folgten.
Mehr Fotos der Geschehnisse folgen hier in den nächsten Tagen.
Bad Bramstedt, 1. Mai 2007:
AntifaschistInnen, die versuchen, zum Kundgebungsort der Nazis zu kommen, werden von Wasserwerfern aufgehalten
Der Nazi-Mob wird nach einer kurzen Route durch die Stadt von einem massiven Polizeiaufgebot zurück zum Bahnhof gebracht...
...wo sie lautstart von AntifaschistInnen empfangen werden...
...und schliesslich von der Polizei in die AKN geleitet werden