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Donnerstag, 10. November 2011, 10:55 Uhr

Park-Fiction

Stadtpark-"Betreiber" wollen nächtliche Schließung

Ein "Durchfahrt verboten!"-Schild als Symbol für den neuen Stadtpark-Style?

Ein "Durchfahrt verboten!"-Schild als Symbol für den neuen Stadtpark-Charakter? Viel ist vom "offenen Park für alle Norderstedter" nicht übrig geblieben (Foto: Infoarchiv)

Von Olaf Harning | In den vergangenen Monaten waren die Macher der Landesgartenschau stets bemüht, in Richtung ihrer KritikerInnen Eines zu betonen: Nach der Schau wird der Norderstedter Stadtpark wieder allen Menschen offen stehen. Doch kaum ist der letzte Vorhang gefallen, scheinen sowohl das "nach der Schau", also auch das "allen Menschen offen" Verhandlungsmasse in Sachen Nachnutzung zu sein.


"Auf Wiedersehen im neuen Stadtpark ab 2012" ... (Foto: Infoarchiv)

Genau das hatten die zahlreichen KritikerInnen der Landesgartenschau immer befürchtet: Auch nach Ende des Multi-Millionen-Events bleibt der Norderstedter Stadtpark nicht nur eingezäunt, er wird für kommerzielle Veranstaltungen partiell auch immer mal wieder zahlendem Publikum vorbehalten sein und nachts ganz geschlossen. Davon abgesehen kann der größte Teil des Gartenschau-Geländes bis zu seiner erneuten "Eröffnung" im Mai 2012 ohnehin nicht betreten werden, weil sich die künftigen "Park-Betreiber" der Stadtpark Norderstedt GmbH außer Stande sehen, die Rückbau-Maßnahmen unter Publikumsverkehr durchzuführen. Da große Teile des Parks bereits seit dem 22. März 2010 für Baumaßnahmen gesperrt- und dann während der Schau zahlendem Publikum vorbehalten waren, wird der Stadtpark vielen BürgerInnen am Ende mehr als zwei Jahre lang verwehrt gewesen sein. Künftig soll das rund 72 Hektar große Areal zudem dauerhaft von einem Sicherheitsdienst bewacht werden. Der Park hätte damit einen Gutteil seines ursprünglichen  Charakters verloren und wird - so lästern Kritiker - zu einer Art "Freilaufgehege".

"Die Pläne der Stadtpark Norderstedt GmbH zur zukünftigen Nutzung des Stadtparkgeländes scheinen unsere schlimmsten Befürchtungen Realität werden zu lassen. Das Gelände mitsamt Badesee wurde für die kommerzielle Nutzung im Rahmen des Landesgartenschau in Beschlag genommen. Doch nun scheinen die Zuständigen es nicht wieder an die Allgemeinheit zurückgeben zu wollen. Der Zugang zu einem bis dahin öffentlichen Raum, der für alle nutzbar war, wird so Vielen verwehrt bleiben. Aus dem frei zugänglichen Badesee wird eine "Kommerzkiesa". Das ist ein Skandal!"

 

Stellungnahme des Sozialen Zentrums

Noch vor wenigen Monaten klang das freilich ganz anders, zumindest wurde immer betont, dass mit dem Umbau des Stadtparks "ein Ort für alle Norderstedter" entsteht - von Zäunen und Schließzeiten war hingegen nie die Rede. Grund genug für die KritikerInnen der Schau, ihre Mahnungen in Erinnerung zu bringen, in denen sie von Beginn an vor einer Kommerzialisierung des Areals gewarnt hatten. Jörg Lüdge (Soziales Zentrum - SZ) gegenüber dem Infoarchiv: "Es ist gerade diese Kommerzialisierung von öffentlichen Flächen, gegen die wir uns seit Jahren mit dem Schall & Rausch-Festival zur Wehr setzen. Durch Eintritt oder Zäune werden Menschen ausgegrenzt. Deswegen sehen wir die Weiternutzungspläne für den Norderstedter Stadtpark mehr als kritisch". Sarah Never (ebenfalls SZ) ist empört: "Es kann doch nicht sein, dass einer der wenigen Plätze in Norderstedt, wo Familien, Jugendliche und überhaupt unterschiedlichste Menschen kostenlos einen schönen Badetag verbringen können, einfach so abgesperrt, bzw. zu Schwimmbad und Wasserskianlage gemacht werden. Dieser Platz gehört uns allen!". Für sie ist die Zeit der Gartenschau, die lange Sperrung nach dem Event und die geplante nächtliche Schließung der Versuch, den "öffentlichen Raum Stadtpark" mehr oder weniger exklusiv denjenigen zu öffnen, "die das nötige Geld haben". Diese Einschätzung teilen auch die kulturellen Gruppen im Sozialen Zentrum, namentlich "BULG" und "Freak Out Connection": "In Zukunft werden die Eltern Norderstedts wohl nicht mehr um eine Erhöhung des Taschengeldes ihrer Kinder herumkommen, wenn diese im Sommer mal an den See im Stadtpark wollen". Beide Gruppen kündigen gegen diese "Park-Fiction" Widerstand an: "Wir lassen uns keinen fertigen Stadtpark vorsetzen, der von seinen (Auf-)Käufern gestaltet wird".


"Aufkäufer" oder "Parkschützer"? Die Nachnutzer v.l.: Daniel Vogel (Polster Catering), Christian u. Anne Rumpel (Wasserski-Betreiber), Ralph Schmieder (Sparkasse Südholstein), Ruud Swaen (ARRIBA), Gyde Opitz (Sparkassen- u. Giroverband SH), Kai Jörg Evers, Rajas Thiele (TriBühne Norderstedt), Erik Voß, Eva Reiners und Jens Seedorff (alle Stadtpark Norderstedt GmbH), sowie Corinne Eichner (Förderverein Landesgartenschau). Foto: Landesgartenschau Norderstedt 2011

Diese "Aufkäufer" sind unter anderem der umstrittene Caterer Polster, den die Stadtpark GmbH gerade mit einem lukrativen 35-Jahre-Vertrag alimentiert hat, Familie Rumpel als künftige Betreiber der Wasserskianlage und das ARRIBA mit seinem Naturbad am, bzw. im See. Tatsächlich werden insbesondere die beiden privaten Investoren dafür sorgen, dass zahlungskräftiges Klientel in den Stadtpark kommt: Während Polster schon im Verlauf der Landesgartenschau unter Beweis gestellt haben soll, dass sich hohe Preise und schlechte Qualität nicht ausschließen, will die Seepark Rumpel GmbH ab 2012 einen Tag auf Wasserskiern für 29,50 Euro (Erwachsene) und "nur" 25,50 (Jugendliche) anbieten. Eine vierköpfige Familie würde für den Spaß damit schlappe 110 Euro auf den Tisch legen - Preise, die viele NorderstedterInnen schlicht nicht zahlen können.

Nicht nur von Linksaußen kommt deshalb Kritik an den bisherigen Konzepten, auch GALiN-Frontfrau Maren Plaschnick hat sich in der Sache (erneut) zu Wort gemeldet. Auf der "grünen Bank", dem Gartenschau-Interview-Ort der Norderstedter Zeitung, forderte sie kürzlich einen "freien Park für freie Bürger". Für Plaschnick klingen die Zukunftspläne der Betreiber nach "Gartenschau in jedem Sommer" - nach "Gesamtlärmereignis". Angesichts nächtlicher Schließungen und kostenpflichtiger Veranstaltungen im Park stellt sie wichtige Fragen: "Was ist mit der romantischen Seele, die mal eine Nacht im Schlafsack am See pennen will? Oder eine Sommerparty am Strand feiern möchte?".


"Betreten der Baustelle verboten!" Auch nach Ende der Gartenschau beherrschen Zäune das Bild im Stadtpark - für immer? (Foto: Infoarchiv)

Darauf kann Kai Jörg Evers, Geschäftsführer der Stadtpark Norderstedt Gmbh und ehemals Pressesprecher der Stadt Norderstedt, zwar (noch) keine Antwort geben, den ärgsten Befürchtungen aber tritt er vehement entgegen: Nein, es sei nicht geplant, für kommerzielle Veranstaltungen in Teilbereichen des Parks gleich das gesamte Areal zu schließen und nein, die auch von ihm geforderte, nächtliche Schließung heiße nicht, dass der Park bei Einbruch der Dunkelheit seine Tore schließt - man denke hier eher an Mitternacht oder kurz davor. Für Evers geht es vor allem um den Erhalt des Stadtparks auf dem Niveau, das er nach dem Rückbau der Gartenschau-Installationen haben wird. Und diesen Erhalt sieht er vor allem nachts gefährdet: "Wir führen gerade die Diskussion, ob wir nächtliche Feiern akzeptieren. Aber wir wissen natürlich, wie sowas manchmal abläuft: Die Leute feiern, irgendwann wird es kalt und jemand schlägt vor, ein Lagerfeuer zu machen. Dann fehlt Feuerholz und man holt es entweder aus dem Knick oder nimmt einen Balken vom Spielplatz." Entgegen einem Bericht des Wochenblatts sei zwar noch keine Entscheidung über nächtliche Schließzeiten gefallen, man favorisiere die nächtliche Schließung aber ebenso, wie den Einsatz von Sicherheitskräften.

Unterstützt werden Evers und die Stadtpark Norderstedt GmbH nach wie vor von zahlreichen Einzelpersonen, auf der Landesgartenschau aktiven Initiativen und vor allem vom Förderverein der Landesgartenschau, der sich mit seinen rund 130 Mitgliedern auch nach Ende des eigentlichen Events um einen "interessanten und sehenswerten Stadtpark" bemühen will. Zu einem Infoabend in Sachen Nachnutzung konnten die Vereinsvorsitzenden Corinne Eichner und Oliver Hauschildt kürzlich fast 200 NorderstedterInnen begrüßen, man führe - so Eichner gegenüber der Norderstedter Zeitung - "lange Listen mit Freiwilligen". Wie schon die Gartenschau selbst oder die Frage der Wasserskianlage scheint auch die Nachnutzung des Geländes genug Sprengstoff zu bergen, die Stadt zu spalten. Vielleicht liegt das am Ende schlicht daran, dass hier Manche einen Ort verloren haben, der eben gerade wegen mangelnder Überplanung etwas von Freiheitlichkeit, Natur und Abenteuer hatte. Einen Ort, den es sonst in Norderstedt freilich kaum mehr gibt. Anderen aber wurde der Park erst durch die Landesgartenschau erschlossen - möglicherweise, weil er dem Rest der Stadt angeglichen wurde.