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Samstag, 15. Mai 2004, 2:00 Uhr

Plüschtiere für Afghanistan

Wie die Gemeinde Henstedt-Ulzburg und das Panzergrenadierbataillon 182 deutsche Interessen ((c) P. Struck) am Hindukusch verteidigen.

der nestscheißer | Die Situation in Afghanistan ist in der Tat, über zwei Jahre nach der Vertreibung der Taliban, nicht blendend. Das von der Kriegskoalition aus USA, BRD & Konsorten in die Welt gesetzte Versprechen von Wohlstand und Demokratie wurden bisher (wie kritische ZeitgenossInnen ohnehin prophezeit hatten) nicht in Ansätzen umgesetzt. Der propagandistisch während des Krieges hervorgekehrten Unterdrückung der Frauen in Afghanistan unter den Taliban wurde nicht entgegengetreten, außer in einigen größeren Städten hat sich die Situation der afghanischen Frauen nicht verbessert, wie die Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans (RAWA) ständig betont. In den meisten Regionen herrschen die Warlords der Nordallianz oder anderer islamistischer Richtungen, welche ihre Interessengegensätze untereinander des Öfteren mit militärischen Mitteln und auf dem Rücken der ausgeplünderten und drangsalierten Zivilbevölkerung austragen. Versprochene Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft des von 26 Jahren Krieg ökonomisch wie sozial zerrüttete Land blieben aus, die Wahlen (von der Abgabe eines Stimmzettels wird mensch alleine ohnehin nicht satt) wurden immer wieder verschoben, wobei fraglich ist, ob es eine echte Auswahl geben wird.

In dieser Situation wollen das Bataillon 182 und die Gemeinde Henstedt-Ulzburg mit zwölf m³ weichem Kinderspielzeug und Kinderkleidung helfen, ein Akt welcher vor dem Hintergrund der tatsächlichen Situation sowohl zynisch wie hilflos wirkt. Ein symbolischer Akt wird getätigt, nach welchem sich die edlen SpenderInnen gut fühlen können (und nebenbei im eigenen Keller noch ein wenig Platz geschafft haben), an der konkreten Lage der Menschen in Afghanistan wird sich dabei nichts ändern. Allerdings ist es auch ein Trugschluss zu glauben, dass sich die "182erInnen" aus Bad Segeberg in Afghanistan aufhalten, um den dortigen Menschen zu helfen und das Land aufzubauen, den dann hätte die Bundesregierung auch EntwicklungshelferInnen oder das THW schicken können. Die Bundeswehrpräsenz in Afghanistan ist Ausdruck des seit 1990 offen angemeldeten Anspruches der BRD, auch militärisch wieder auf der Weltbühne mitzuspielen und deutsche geostrategische und ökonomische Interessen mit oder gegen die Verbündeten aus USA, Britannien, Russland etc. durchzusetzen. Die Spendensammelaktion in Henstedt-Ulzburg dient dabei unversehens mittelbar der ideologischen Rechtfertigung der von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) unverhohlen angesprochenen Vertretung deutscher Interessen am Hindukusch. Das sich dergleichen gerade in Henstedt-Ulzburg abspielt ist kein Zufall, pflegt doch die Gemeinde nicht nur privilegierte Beziehungen zu den Segeberger PanzergrenadierInnen sondern empfängt auch regelmäßig aus Nicht-NATO-Staaten (wo teilweise das Militär auch handgreiflich in der Politik mitmischt) stammende Teilnehmer von Lehrgängen der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, um ihnen das Funktionieren einer typischen deutschen Gemeinde vorzustellen, Autokratismen à la Dornquast vielleicht inbegriffen.

Wer wirklich den Menschen in Afghanistan helfen will, sollte besser an Hilfsorganisationen spenden, welche konkrete Projekte zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung betreiben. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Organisationen zu unterstützen, welche konkrete Projekte mit dem politischen Kampf für soziale Befreiung verbinden, so die Frauenorganisation RAWA welche einerseits Bildungsarbeit, medizinische und humanitäre Hilfe für Frauen leistet und andererseits einen politischen Kampf gegen Islamismus und Imperialismus und für die Befreiung der Frau und ein freies Afghanistan führt. Die Ziele der RAWA und anderer linker Organisationen in Afghanistan sind allerdings Ziele, hinter welchen Dornquast und das Panzergrenadierbataillon 182 nicht stehen.

Veröffentlicht in Internationalismus mit den Schlagworten Henstedt-Ulzburg, SPD, Wahlen