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Montag, 26. Juli 2004, 2:00 Uhr
Schimmel vom Amt
Wieder Erniedrigungen im Sozialamt Henstedt-Ulzburg
Von Olaf Harning | Seit Jahren steht das Sozialamt der "Großgemeinde" Henstedt-Ulzburg in der landesweiten Kritik, doch bislang hat niemand dem perfiden Treiben von Amtsleiter Raymond Böge und Bürgermeister Volker Dornquast einen Riegel vorgeschoben. Jetzt hat sich wieder eine der erniedrigten Frauen Gehör verschafft, sie machte eine ganz besondere Bekanntschaft mit dem "Amts-Schimmel"!
Eigentlich wollte die 42jährige Henstedt-Ulzburgerin Katharina K. (Name von der "Norderstedter Zeitung" geändert) nur eine Waschmaschine vom Sozialamt des Ortes, ihre hatte nach 17 Jahren den Geist aufgegeben. Doch die Mutter von drei Kindern (8, 11 und 13 Jahre) hatte die Rechnung ohne Amtsleiter Raymond Böge und seine emsigen MitarbeiterInnen gemacht. Traditionell erfüllt das Sozialamt in Henstedt-Ulzburg die Ansprüche seiner "KundInnen" wenn überhaupt nur sehr nachlässig, immer wieder gibt es Berichte über zum Teil erschreckende Schikanen. Beispielsweise erhalten Hilfsbedürftige bestenfalls gebrauchte Möbel oder Maschinen, auf die sie Anspruch haben, in vielen Fällen aber auch Ramsch oder schlicht schrottreife Geräte. In anderen Fällen wurden Spenden für das örtliche Flüchtlingsheim vom Sozialamt an SozialhilfeempfängerInnen weitergegeben, als "Leistung" des Amtes. Katharina K. hat jetzt auch eine solche Geschichte zu erzählen: Nachdem ihre Waschmaschine nach über 17 Jahren kaputt gegangen war, bewilligte ihr der Sachbearbeiter die Bereitstellung eines gebrauchten Gerätes. Daraufhin lieferte ein Hamburger Händler der Frau eine verschimmelte Maschine, die nach ersten Reinigungsversuchen einen heftigen Allergieschub auslöste, so die Norderstedter Zeitung, denn K. leidet unter einer heftigen Schimmel- und Hausstauballergie: Nach einer Operation ist die Keilbeinhöhle von K. mit Schimmel besiedelt - schon leichter Schimmel löst starke Allergieschübe aus. Doch in Henstedt-Ulzburg sorgt solcherlei Ungemach nicht für Aktivität im Sozialamt. Obwohl der Sachbearbeiter bereits den Austausch der verschimmelten Waschmaschine zugesagt hatte, intervenierte die "Amtsleitung" und hielt diesen Schritt für unnötig, freilich ohne das Gerät gesichtet zu haben. In der Sozial-, Schuldner- und Insolvenzberatung des Diakonischen Werkes des Kirchenkreises Niendorf füllt der "Fall Henstedt-Ulzburg" bereits eine Akte, kreisweit ist das örtliche Sozialamt für sein "eigenwilliges" Vorgehen bekannt. Bürgermeister Volker Dornquast (CDU) verteidigt indes regelmäßig die erschreckenden Praktiken seines Amtsleiters. Für ihn werde lediglich "nicht großzügig" gehandelt, das rechtliche Terrain indes "nie verlassen". Dafür, so der für elf Jahre gewählte Gemeindechef, müsse man sich nicht schämen. Tatsächlich? Beinahe grundsätzlich wird in Henstedt-Ulzburg beispielsweise die Beratung der Betroffenen vollständig unterlassen. So wurde Böge gleich von mehreren Betroffnen mit Äußerungen wie diesen zitiert: "Beraten wird bei uns nicht, die Leute wissen ja, was ihnen zusteht." Rita Göbel, ehemalige Sozialberaterin der Arbeiterwohlfahrt im Ort gab angesichts der Zustände in Henstedt-Ulzburg Mitte 1999 ihren Job auf, zu schlimm war das Erlebte im Sozialamt: "Die Betroffenen werden nach mehreren Wochen oder Monaten - so lange zieht sich die Bearbeitung teilweise hin - gefragt, wie sie so lange ohne Hilfe des Sozialamtes auskommen konnten". Wer - so Göbel weiter - das dann nicht schlüssig erklären kann, erhält keine Hilfe. Im Juli 2000 veröffentlichten mehrere, betroffene Frauen ein Papier mit dem Titel "Sozialberatung in Hesntedt-Ulzburg", Inhalt des Textes: Schikanen, Erniedrigungen, Beleidigungen von Hilfsbedürftigten durch Böges Amt. Regelmäßig richten sich die existenzbedrohenden Schikanen gegen Frauen, nicht ohne Grund zählen "Probleme mit dem Sozialamt" zu den meistgenannten Beratungsgründen der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde (beispielsweise im Bericht der Beauftragten im Juni 2003). Meike L. - Mutter von sieben Kindern - wurden einst sämtliche Hilfen gestrichen, indem man ihr ohne jeden Nachweis einen "Ernährer" unterstellte, ihre Kinder solle sie mit Hilfe der "Quickborner Tafel" ernähren. Die spätere Abgeordnete der örtlichen Grünen, Angelika Guerra, wurde mit den Worten "Wer schafft sich denn heute noch zwei Kinder an?" im Amt empfangen, die alleinerziehende Maria Terésa F. mit ihrer damals einjährigen Tochter in eine Notunterkunft gesteckt, nachdem sie zuvor durch die Arbeit des Amtes obdachlos geworden war. In Henstedt-Ulzburg gibt es nichts, das es nicht gibt: Als F. einmal um Schuhe für ihre Tochter bat, hieß es nur, es sei ja "warm draußen", das Kind könne daher "barfuß gehen". Neben alleinstehenden Frauen haben insbesondere AusländerInnen in Henstedt-Ulzburg nichts zu lachen, wenn sie in Not geraten. So schildert etwa der schleswig-holsteinische Flüchtlingsrat einen Fall aus dem Jahre 2003 folgendermaßen: "Als anerkannte Flüchtlinge hatten sie Anspruch auf eine Wohnungseinrichtung, doch was bewilligt wurde, war mehr als erbärmlich. Ein alter Staubsauger, ein paar sehr alte und dreckige Möbel, ganze zwei Schränke und 100 Mark in bar - das war alles (...) das Sozialamt unterstützte Davood Yeganeh auch keineswegs dabei, Arbeit zu finden, sondern ließ ihn erst mal drei Monate lang ´gemeinnützige Arbeit´ für den kommunalen Bauhof verrichten." Einen noch dramatischeren Fall berichtete die Flüchtlingsarbeit des Diakonischen Werkes im Juli 2000 in einem Brief an das Innenministeriums fest: "Die Nichtbeantragung von öffentlicher Hilfe zwischen April und Juni d.Js. begründet Herr .... damit, dass er die Qualität der Kundenkommunikation des für ihn zuständigen Sachbearbeiters im zuständigen Sozialamt nicht hätte ertragen können. Soweit Leistungskürzungen durch das Sozialamt durchgeführt wurden, geschah dies u.E. jeweils unter Missachtung des Wortlautes des § 1a Abs. 2 AsylbLG sowie der geltenden schleswig-holsteinischen Weisungslage." Der Betroffene war zuvor "am Ende seiner Kräfte" und "völlig verwahrlost" in der Beratungsstelle der Diakonie in Norderstedt erschienen. Die Taktik von Raymond Böge und seinen SachbearbeiterInnen ist ebenso abstoßend wie wirkungsvoll: Wer in Henstedt-Ulzburg auf Sozialhilfe angewiesen ist, verlässt so bald als möglich den Ort. So auch Maria Terésa F., die mittlerweile selber im Sozialamt Bad Bramstedt arbeitet, oder Grünen-Politikerin Angelika Guerra. Die Folge dieser "Flucht der Habenichtse": Benachbarte Sozialämter in Kaltenkirchen, Norderstedt oder Quickborn wenden ein Mehrfaches für Sozialhilfe auf, als es Henstedt-Ulzburg tut. 1998 beispielsweise zahlte Kaltenkirchen pro Kopf acht Mal mehr Geld an Bedürftige, als Raymond Böge und Volker Dornquast. Gerade angesichts solcher Zahlen erstaunt und bedrückt es, dass die verantwortlichen Stellen in Bad Segeberg und Kiel dem Treiben dieser Männer angesichts solch frappierender Missstände noch immer kein Ende gesetzt haben. Bis dies endlich der Fall ist, haben ihre Opfer immerhin die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht gegen die mitunter abenteuerlichen Bescheide des Amtes zu klagen oder Dienstaufsichtsbeschwerden gegen SachbearbeiterInnen oder Amtsleitung zu richten. Die Henstedt-Ulzburgerin Liselotte Reiszner schrieb dazu so treffend in einem LeserInnenbrief: "Ich hatte mein Enkelkind in Pflege, war Normalverdienerin, mein Mann Frührentner. Ständig hat das Sozialamt versucht, mir die Zahlung des Pflegegeldes zu streichen. Dem Sachbearbeiter fielen alle möglichen Finten ein. Ich habe mich energisch zur Wehr gesetzt. Letztendlich habe ich von der Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde Gebrauch gemacht. Die vorgesetzte Behörde hat entschieden, dass ich ohne Wenn und Aber das Pflegegeld bekomme. Ich möchte nicht versäumen, (...) auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Viel Glück!" Unter anderem hier erhalten Betroffene Hilfe: Sozialberatung Henstedt-Ulzburg Schulstraße 10 24558 Henstedt-Ulzburg Tel. 04193 / 80 97 01 Fax: 04193 / 80 97 02 Sozialberatung-hu@diakonie-nms.de Gemeinde Henstedt-Ulzburg Gleichstellungsbeauftragte Annegret Horn Rathausplatz 1 24558 Henstedt-Ulzburg Tel. 04193 / 963 170 Fax 04193 / 963 190