- Themen
- Alternative Zentren
- Arbeit & Kapital
- Behindertenpolitik / Assistenzbedürftige
- Bildung
- Energiepolitik
- Faschismus / Antifaschismus
- Flucht und Migration
- Frauen / Feminismus
- Frieden
- Geschichte
- Internationalismus
- Jugendpolitik
- Kindergärten & Kinderbetreuung
- Kommunalpolitik
- Kultur
- Landesgartenschau & Stadtpark
- Lesbisch/Schwules
- Medien
- Medizinische Versorgung & Gesundheit
- Polizei & Justiz
- Religion
- Repression / Antirepression
- Sonstige
- Soziales
- Sport
- Stadtentwicklung
- Umwelt
- Verkehr
- Artikel Altbestand
- Schlagworte
- Galerien
- Links
- Termine
- Über uns
+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +
Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.
Samstag, 19. Februar 2011, 6:02 Uhr
Wahlk(r)ampf beendet
CDU Nord streitet, SPD unterläuft das Wahlgesetz
Der künftige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gibt den wirtschaftsliberalen Machtpolitiker. (Bild: SPD Schleswig-Holstein)
Von Olaf Harning | Die CDU im Norden Hamburgs streitet über Personalentscheidungen, DIE LINKE und vor allem die SPD unterlaufen gezielt das Wahlgesetz und die GAL hadert mit der Frage, ob das Aus für Schwarz-Grün im Rückblick wirklich schlau war. Davon abgesehen steht das Ergebnis der Wahlen zur neuen hamburgischen Bürgerschaft im wesentlichen fest. Auf mehr als 45% der Stimmen kann Olaf Scholz (SPD) nach den jüngsten Umfragen bei den Bürgerschaftswahlen hoffen, schon das könnte im Falle eines Scheiterns der FDP an der 5%-Hürde für die absolute Mehrheit reichen. Sollten die Liberalen im dritten Anlauf den Sprung in die Bürgerschaft schaffen, könnten sich die Sozialdemokraten ihren Koalitionspartner aussuchen: Sowohl die GAL als auch die FDP stehen dafür Gewehr bei Fuß und selbst die CDU hat schon bei Scholz angeklopft.
Erstmals wählen die HamburgerInnen am 20. Februar nach dem neuen Hamburger Wahlgesetz, ein stark personalisiertes Verhältniswahlrecht. Dabei könnten die WählerInnen ihre Stimmen unter anderem auf mehrere KandidatInnen - auch unterschiedlicher Parteien - verteilen und mit ihrer Entscheidung auch die Reihenfolge der Wahlvorschläge verändern: Wenn die SPD beispielsweise einen Kandidaten aus dem Stadtteil auf die hinteren Listenplätze abschiebt, der Stadtteil aber geschlossen genau diesen Kandidaten wählt, kann die Parteiliste kräftig durcheinander gewirbelt werden. Genau dieses Element direkter Demokratie gefällt einigen Parteistrategen aber gar nicht so recht: Sowohl die SPD, als auch DIE LINKE haben offenbar Regelungen getroffen, die das Wahlgesetz aushebeln. So mussten sozialdemokratische WahlkreiskandidatInnen nach einem Bericht des abgeordnetenwatch-Blogs mit ihrer Kandidatur eine Art "Verhaltenskodex" unterzeichnen, in dem sie sich verpflichten, alles dafür zu tun, dass sich die Reihenfolge der Landesliste nicht ändert:
- "Es muss einerseits vermieden werden, dass die Reihung, über die die aufstellenden Gremien der Partei entschieden haben, durch welchen Mittelsatz auch immer (Geld, Personal, Werbematerial oder persönliche Ansprache) einer/eines einzelnen Wahlkreis-, bzw. Landeslistenkandidatin bzw. und Kandidaten zulasten einer/s anderen Kandidierenden verändert wird. Andererseits muss natürlich das persönliche Profil einer/s Bewerberin/s so "vermarktet" werden, das sie/er möglichst viele Stimmen von den anderen Parteien auf sich zieht. Es wird in erster Linie Aufgabe der zuständigen Gremien auf Landes- und Kreisebene sein, zwischen diesen Eckpfeilern den "goldenen Mittelweg" zu finden".
Weniger Respekt vor Wählerschaft und Demokratie geht wohl kaum, wobei den Hamburger LINKEN übrigens ähnliche "Vereinbarungen" mit ihren KandidatInnen nachgesagt werden. Außerdem werden die Leitung des Wahlkampfes und seine Inhalte ausschließlich der Parteiführung zugeschrieben, die einzelnen SPD-KandidatInenn dürfen offenbar gerade einmal am Info-Stand stehen und ihr Foto für ein von der Parteispitze formuliertes Flugblatt hergeben. Gleichzeitig hat sich Olaf Scholz bereits früh im Wahlkampf darauf festgelegt, vor allem auf die Inszenierung wirtschaftlicher Kompetenz und konservative Inhalte zu setzen. So stellte er schon vor Wochen seinen Schatten-Wirtschaftsminister Frank Horch vor, bislang Präses der Handelskammer und zwischenzeitlich auch von der CDU - für das gleiche Amt - vorgesehen. Und während sich Reeder Erck Rickmers binnen Tagen von einem vergleichsweise unbekannten Unternehmer zu einem sozialdemokratischen Spitzenpolitiker entwickelte, wusste Scholz auf einer Wahlveranstaltung in der Handelskammer zu berichten, er habe die Gewerkschaften "eingenordet". Eine eigentlich zwingend notwendige Debatte über das Wahlprogramm hingegen wurde nach ziemlich genau einer Minute (!) abgebrochen. Inhalt also null, die Wirkung dennoch hoch - die Umfragewerte von Scholz und der SPD schnellten in die Höhe. Derweil ist als künftiger Innensenator wohl Andreas Dressels vorgesehen, ein innenpolitischer Hardliner, der sogar in der CDU eher rechtsaußen anzusiedeln wäre. Erst kürzlich organisierte er eine Veranstaltung in der Hamburger SPD-Zentrale, bei der angezündete Autos zusammen mit rechtsradikalen Angriffen auf Ausländer diskutiert wurden. "Rechts- und Linksextremisten" hatten bei der Veranstaltung keinen Zutritt.
Kein Wunder, dass die nach der Schwarz-Grün-Episode eher unbeliebte Hamburger CDU um Noch-Bürgermeister Christoph Ahlhaus angesichts der vollständigen Übernahme ihrer "Inhalte" durch die SPD schon fast kapituliert hat. Zwar bemüht sich Ahlhaus, die wenigen Wahlversprechen seines Kontrahenten (Senkung der KiTa-Gebühren, Abschaffung der Studiengebühren) als "zu teuer" oder "unbezahlbar" zu bewerten, das war es aber auch schon mit dem CDU-Wahlkampf - die Partei kann nach jüngsten Umfragen froh sein, wenn sie am Sonntag 25% der Stimmen erhält. In Hamburg-Nord kommen noch personalpolitische Turbulenzen hinzu, die aber immerhin ein glücklicheres Händchen im Umgang mit dem Wahlgesetz vermuten lassen: Weil die CDU Langenhorn ihren Kandidaten Hans-Jürgen Plaumann nicht gegenüber den übrigen Ortsverbänden durchsetzen konnte, forderte sie ihre WählerInnen im Stadtteil jetzt per Hauswurfsendung auf, die parteilich festgelegte Liste durch die Bündelung der Stimmen auf Plaumann entsprechend zu verändern. Aus dem Flyer:
- "Herr Plaumann hat mit großem ehrenamtichen Einsatz an der Gründung von "OXBID" mitgewirkt. Im Bereich Ochsenzoll/Langenhorn stehen weitere kommunalpolitische Themen zur Lösung an: Fahrstuhl an der U-Bahn-Station Ochsenzoll, Park- und Ride-Haus an dieser Station, Schaffung zusätzlicher Parkplätze am Bärenhof, Veränderung der Langenhorner Chaussee auf 3 Spuren im Bereich Fibigerstraße/Landesgrenze, Durchsetzung des Beschlusses zum Abbau der schadhaften Güterbahnbrücken, Bebauung des Wichert-Geländes. Für alle diese Punkte benötigen wir im Bezirk einen Abgeordneten, der sich dieser Probleme annimmt."
Die Liste der anzugehenden Themen macht unter anderem deutlich, wie ähnlich sich die Parteien auf kommunalpolitischer Ebene sind: Mit Ausnahme des OXBID, einer eher umstrittenen Einrichtung, dürften sich wohl annähernd alle Bürgerschaftsparteien inklusive der Nordabgeordneten hinter die genannten Punkte stellen.
Hinter den Befindlichkeiten der "großen" Parteien, sind GAL, DIE LINKE und die FDP beinahe in Vergessenheit geraten. Während die Liberalen ihre Wahlkampfinhalte im wesentlichen auf das Erscheinungsbild von Spitzenkandidatin Katja Suding beschränken - peinlicherweise mit Erfolg - und derzeit auf das "Nehmen" der 5%-Hürde hoffen dürfen, wird auch DIE LINKE nur wenig höher taxiert: Zwischen fünf und sechs Prozent werden Dora Heyenn und ihren GenossInnen zugetraut. War da nicht noch was? Ach ja, auch die GAL hat sich wieder auf Normalmaß zurechtgeschrumpft: Nachdem sich die Partei wegen des Bruchs der schwarz-grünen Koalition zu Zeiten des grünen Umfragehochs noch im Dezember für ihre strategische Brillianz feierte, schießen die Hamburger Grünen mittlerweile selbst unter den wieder sinkenden Bundeswerten hindurch und können zur Zeit mit "nur" 14% der Stimmen rechnen. Selbst die schon als "sicher" verbuchte Koalition mit der SPD ist es keinesfalls mehr, denn bei den Sozialdemokraten wurden mittlerweile die ersten Stimmen laut, die ein Bündnis mit den Liberalen vorziehen. Mit denen nämlich kann man in Hamburg bekanntlich alles machen und die "wirtschaftliberale Inhaltsleere" wäre bei rot-gelb parteiübergreifender Konsens. Am Ende also könnte die grüne Landesvorsitzende Katharina Fegebank mit (fast) leeren Händen dastehen. Die übrigens kandidiert diesmal für die GAL in Hamburg-Nord, obwohl sie mit den dazu gehörenden Stadtteilen eigentlich so recht gar nichts zu schaffen hat. Damit sich das ändert, organisierte die GAL vergangenen Mittwoch, also satte vier Tage vor der Wahl, eine Führung für ihre Kandidatin, bei der Fegebank der Stadtteil Langenhorn, bzw. der Bereich Ochsenzoll nähergebracht werden sollte.
Noch unentschieden? Hier gehts zum Kandidaten-Check des NDR.
Ein Kommentar zu diesem Artikel
21.02.2011, 9:00 Uhr timbo: vielen dank
vielen dank für den artikel. "Karstadt-Werbung?"-Bildunterschrift = top! hätte es nicht kürzer/besser formulieren können. interessant das mit der partei-internen hierarchieverwaltung der plätze. ich fühle mich in der nichtwahl-entscheidung bestätigt. macht weiter so, ich les hier immer wieder gerne.