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Mittwoch, 21. Juli 2004, 2:00 Uhr

Zuckerbrot und Peitsche

VHS Norderstedt stellt neues Integrations-Konzept für MigrantInnen vor

Infoarchiv Norderstedt | Euphorisch teilt die VHS Norderstedt mit, Integration zu einer Priorität ihrer Arbeit machen zu wollen. Die neuen Kurse der VHS-Norderstedt sollen qualitativ besser werden und "den Zuwandern bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt" eröffnen, wie die Norderstedter Zeitung berichtete. Dass wars dann aber auch schon mit den guten Nachrichten: Zwar wird es als Vorteil erachtet, dass "Ausländer und Aussiedler" jetzt endlich gemeinsam unterrichtet würden, und nicht wie bisher unterschiedlich betreut. Und es gilt auch als Vorteil, dass "Menschen aus verschiedenen Nationen zusammen lernen würden und als einzige gemeinsame Sprache Deutsch verwenden müssten".
Wer allerdings nicht spurt beim Vokabellernen wird bitter bestraft: Die Kurse sind Pflicht. Wer nicht erscheint, dem drohen Kürzungen bei Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Aber diese Sanktionen reichen den Gesetzgebenden noch nicht aus: Zusätzlich diskutiert werden Streichungen bei der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung. Wer nicht büffelt, wird ausgewiesen. Nicht nur der Deutschunterricht ist Pflicht, auch ein Kurs über Rechtsordnung, Kultur und Geschichte Deutschlands muss belegt und mit einer anschließenden Prüfung erfolgreich abgeschlossen werden.
Im neuen Zuwanderungsgesetz werden erstmals die bisher willkürlich festgelegten "Integrationsleistungen" einheitlich festgeschrieben. Entstanden ist ein Punktsystem kultureller Zwangsfortbildungen. Und "wer nicht genug Punkte sammeln kann", kommentiert Massimo Pernelli in einer Stellungnahme der bundesweiten MigrantInnengruppe "Kanak Attak", "den kostet es die Bürgerrechte oder die Aufenthaltsberechtigung."
Ein zweiter Kritikpunkt an dem Integrationskonzept ist die Tatsache, dass die Kurse der Norderstedter VHS klar unterscheiden zwischen "erwünschten" und "unerwünschten" MigrantInnen, ganz im Sinne des neuen Zuwanderungsgesetztes, welches sich nach drei Jahren Debatte als ein Handlungskonzept zur Zuwanderungsbegrenzung entpuppt hat. Die Kurse sind lediglich einen bestimmten Personenkreis zugänglich. Dies gilt für MigrantInnen mit deutschen Ehepartnern, für AussiedlerInnen, für die winzige Gruppe anerkannter Asylsuchender und erwünschter ArbeitsmigrantInnen. Alle Personen mit unklarem Aufenthaltsstatus und laufenden Asylverfahren, dürfen an der Sprachförderung nicht teilnehmen. Somit etabliert sich auch weiterhin der rassitsiche Regulierungscharakter der Integrationspolitik: Während zum Beispiel minderjährigen Flüchtlingen das Recht auf angemessene Schulbildung nach wie vor verwehrt bleibt, dienen die "Integrationskurse" andererseits zur Aussonderung, Registrierung und Bewertung von Menschen ohne deutschen Pass.

Veröffentlicht in Flucht und Migration mit den Schlagworten Norderstedt