- Themen
- Alternative Zentren
- Arbeit & Kapital
- Behindertenpolitik / Assistenzbedürftige
- Bildung
- Energiepolitik
- Faschismus / Antifaschismus
- Flucht und Migration
- Frauen / Feminismus
- Frieden
- Geschichte
- Internationalismus
- Jugendpolitik
- Kindergärten & Kinderbetreuung
- Kommunalpolitik
- Kultur
- Landesgartenschau & Stadtpark
- Lesbisch/Schwules
- Medien
- Medizinische Versorgung & Gesundheit
- Polizei & Justiz
- Religion
- Repression / Antirepression
- Sonstige
- Soziales
- Sport
- Stadtentwicklung
- Umwelt
- Verkehr
- Artikel Altbestand
- Schlagworte
- Galerien
- Links
- Termine
- Über uns
Dienstag, 5. November 2013, 14:07 Uhr
Fast schon Winsen
Infoarchiv Norderstedt | Felder, Wiesen, ein wenig Wald. So sieht es aus, rund um die Gemeinde Winsen im Kreis Segeberg. Rund 400 Menschen leben hier, es gibt eine Freiwillige Feuerwehr, ein Ortswappen mit Uhu, Kindergarten und Schule teilt man sich mit den beiden Nachbargemeinden. Und es gibt drei Ortsschilder. Um eines dieser Verkehrszeichen ist nun heftiger Streit entstanden.
„Da hinten ist es“, sagt Kurt Bonekamp, ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde. Mit ernster Miene zeigt er auf das Ortsschild an der Kisdorfer Straße. Denn das „Zeichen 310 – Ortstafel“, wie es die Straßenverkehrsordnung nennt, steht inzwischen wieder genau da, wo es Bonekamp und wohl die meisten Winsener gar nicht haben wollen: Nämlich rund 150 Meter innerhalb des Ortes. Von 1959 bis Mai dieses Jahres war das anders. Da stand die Tafel am Ortseingang, wo man ein landläufig „Ortseingangsschild“ genanntes Zeichen vielleicht auch vermuten würde. Dann aber wollte eine Nachbargemeinde ihre Ortstafel auch am Ortsrand haben und verwies auf das Winsener Beispiel.
Warum das zum Problem wurde, ist für Menschen außerhalb von Kreis- oder Gemeindeverwaltungen schwer zu fassen. Jedenfalls wurde es zum Problem. Und zwar weil es in der Verwaltungsvorschrift zu Anlage 3 von § 42 der Straßenverkehrsordnung wörtlich heißt: „Die Zeichen sind (…) in der Regel dort anzuordnen, wo (…) die geschlossene Bebauung (…) beginnt. Eine geschlossene Bebauung liegt vor, wenn die anliegenden Grundstücke von der Straße erschlossen werden.“ Für die Verkehrsaufsicht des Kreises Segeberg ein klarer Fall: Durch die Anfrage der Nachbargemeinden auf das Winsener Schild aufmerksam geworden, stellte sie bei einem Ortstermin fest, dass die dortigen Grundstücke eben nicht zur Straße hin erschlossen werden. Das Schild wurde versetzt.
Und damit nahm das Schicksal seinen Lauf. Denn Winsener, das musste die Kreisverwaltung inzwischen lernen, können stur sein. Verdammt stur, wenn es um die Verkehrssicherheit geht – vor allem entlang eines Schulweges. Sie fürchten nämlich, dass die Autofahrer künftig nicht nur mit Tempo 50 in den Ort hineinfahren, sondern mit den vor der Ortstafel erlaubten 70 km/h oder mehr. Aus diesem Grund buddelten sie das Schild auch eines Nachts wieder aus und brachten es zu seinem alten Standort zurück. 18 Mal, um genau zu sein, denn die Kreisverwaltung kann auch stur sein. Sie setzte das Schild immer wieder zurück, versuchte sogar mit einer versteckten Kamera, der Buddelei Herr zu werden. Landrätin Jutta Hartwieg hat Angst vor einem Präzedenzfall mit Signalwirkung, ebenso Michael Krüger, Leiter der Segeberger Verkehrsaufsicht: „Mehrere Bürgermeister der Umgebung stehen Gewehr bei Fuß“, sagt er.
Und so geht der Konflikt bald in seinen sechsten Monat, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet. Oder etwa doch? Vor einigen Wochen, als das Satire-Magazin extra3 mal wieder in Winsen anklopfte, hatte Bürgermeister Bonekamp eine Idee. Gemeinsam mit einem Fernsehteam des NDR und knapp 30 Winsenern, stellte er zwei selbstgebaute Tafeln an den Ortseingang. Aufschrift: „Gleich kommt Winsen“ und „Fast schon Winsen“. Als das Ordnungsamt des Kreises den Abbau der Tafeln forderte, weil sie „nach § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO“ eine „große Verwechslungsgefahr“ bergen, schraubten sie riesige Pfeile dazu – mit der Aufschrift „Das ist kein Ortsschild“.
Wenn er über solche Aktionen spricht, wirkt Bonekamp gar nicht mehr so ernst - eher ein wenig vergnügt. Vielleicht auch, weil das Miteinander im Dorf durch den Konflikt so gut ist, wie selten zuvor.