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Freitag, 29. April 2011, 6:48 Uhr
"Es ist richtig, dass er bleibt"
Kreis-SPD stützt Sarrazin-Entscheidung
Von Olaf Harning | Inhaltliche Nähe mit Thilo Sarrazin kann man ihnen nicht gerade unterstellen, dennoch begrüßten Kreis-SPD-Chef Andreas Beran und Katrin Fedrowitz, Vorsitzende der Norderstedter SozialdemokratInnen, jetzt den Verbleib des Rechtsaußen in ihrer Partei.
Zuvor hatte die Schiedskommission der SPD Berlin-Charlottenburg nach dem Rückzug aller vier Anträge auf Parteiausschluss auf einen Rauswurf des ehemaligen Bundesbank-Chefs in Zusammenhang mit mehreren, rassistischen Ausfällen verzichtet. In seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" hatte Sarrazin unter anderem behauptet, dass Muslime generell schlechter gebildet seien, als beispielsweise Deutsche. Da Intelligenz vor allem erblich bedingt sei, könne sich daran zudem nur bedingt etwas ändern. Auch innerhalb Deutschlands attestierte der selbstverliebte Rechtsaußen der Bevölkerung höchst ambivalente Intelligenz: So sei etwa die Bevölkerung in verschiedenen ostdeutschen Bundesländern weniger gebildet, als die Menschen in den meisten westdeutschen Ländern. Schon vor Veröffentlichung seines Buches war der SPD-Politiker, der unter anderem das Amt des Berliner Finanzsenators bekleidete, mit kruden Thesen aufgefallen. So regte er an, Zuwanderern keine Sozialleistungen mehr zu zahlen und nur noch Hochqualifizierte ins Land zu lassen. "Osteuropäische Juden" wären ihm dabei am liebsten, denn die hätten ja bekanntlich einen um 15 Prozent höheren IQ als die Deutschen selbst. "Ich muss niemanden anerkennen", so Sarrazins Beitrag zur Integrationsdebatte, "der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Nach der Buchveröffentlichung dann so etwas wie ein geistiger Offenbarungseid: "Alle Juden", schwadronierte der Sozialdemokrat, "teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben ein bestimmtes Gen, das sie von anderen unterscheidet". Dass Juden nach wie vor eine Glaubensgemeinschaft wie etwa Katholiken sind, Basken hingegen eine regionale Volksgruppe, diesen Unterschied hatte Sarrazin offenbar niemand erklärt, ganz davon abgesehen, dass natürlich auch Basken kein einendes Gen besitzen.
Das alles aber müsse ihre Partei aushalten, stellten nun neben der Parteispitze auch Andreas Beran, Katrin Fedrowitz und der Henstedt-Ulzburger SPD-Sprecher Horst Ostwald gegenüber der Norderstedter Zeitung klar. Ostwald ging gar noch einen Schritt weiter und unterstützte dabei offen die Position von Sarrazin-Verteidiger und Ex-Bürgermeister Hamburgs, Klaus von Dohnani, der noch mehr derartige "Querdenker" für die SPD gefordert hatte. "Alle Parteien brauchen Mitglieder", so Ostwald, "die abseits bekannter Pfade denken und so dazu beitragen können, dass verkrustete Strukturen aufgebrochen werden". Welche "verkrusteten Strukturen" er im Fall Sarrazin meinte, ließ er jedoch ebenso ungenannt, wie die "neuen Pfade", die der Ex-Bundesbänker bei seinen Eskapaden gedacht haben soll.
Keinen "Quer-", sondern vielmehr einen "Flachdenker" erkannte hingegen Schleswig-Holsteins SPD-Vorsitzender Ralf Stegner in Sarrazin und hätte sich einen anderen Ausgang des Schiedsverfahrens gewünscht. Der überfällige Parteiausschluss aber war offenbar durch die öffentliche Meinung verbaut: Trotzdem nicht eine seiner Thesen genauer Prüfung standhält und seine Ausfälle wohl mehr der Verkaufsförderung denn einem Denkprozess geschuldet sind, stellten sich im Streit um das Sarrazin-Buch große Teile der Bevölkerung hinter den pöbelnden Bundesbänker. Und die BILD-Zeitung stellte ebenso auflagenstark wie dumm fest, dass man so etwas, wie die Sarrazin-Polemiken ja wohl noch sagen dürfe. Statt in dieser Phase Konturen zu zeigen, Rassismus und völkisches Gedröhne als mit dem Parteiprogramm unvereinbar zu erklären, scheut die SPD jetzt wie so oft die Debatte - und erklärt in Stadt und Land, dass man Meinungen, wie die sarrazinsche "schon aushält". Da drängt sich die Frage förmlich auf, ob es überhaupt etwas gibt, das die SPD im Angesicht verschiedener Wahlkämpfe nicht "aushält", um nach Außen hin Ruhe zu vermitteln. Immerhin rückte Katrin Fedrowitz gegenüber der NZ noch zurecht: "Wir brauchen mehr Menschen, die sich um soziale Gerechtigkeit, guten Lohn für gute Arbeit, ausreichende Kinderbetreuung und beste Bildung sowie Integration in Beschäftigung und Gesellschaft, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und handlungsfähige Kommunen kümmern. Das sind die wichtigen Dinge". Wie wahr.