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Sonntag, 2. Mai 2004, 16:00 Uhr
Offizielle Eröffnung des Informationszentrums für Zwangsarbeit in Hamburg
Ehemaliges Zwangsarbeiterlager am Flughafen
Infoarchiv Norderstedt | Das vergessene Lager
Zwangsarbeit
“Als die Deutschen merkten, dass ihre Werbezettel, mit denen sie Arbeitskräfte nach Deutschland locken wollten, nicht wirkten, dachten sie sich etwas Anderes aus. Sie nahmen meiner Familie die Stammkarte weg. Ohne Karte gab es für meine Eltern und uns zehn Geschwister keine Lebensmittel. Also ging ich gezwungenermaßen nach Deutschland zum Arbeiten. 1943 kam ich in Hamburg an und landete einige Monate später in den Baracken im Wilhelm-Raabe-Weg. Die Betten waren voller Ungeziefer, der Winter war kalt und wir hatten kaum Arbeitskleidung. Außer sonntags stand ich jeden Tag an einer Drehbank bei Röntgenmüller und das alles bei kargem Essen, meist bestehend aus einer Rübensuppe.”
Theo Massuger, der hier seine Erlebnisse in Fuhlsbüttel schildert, war einer von etwa 8 Millionen Kriegsgefangenen, ausländischen Zivilarbeitern und Zwangsarbeitern, die 1943/44 in Deutschland arbeiten mussten.
In Hamburg, einem Zentrum der Rüstungsindustrie, lebten bereits im Frühjahr 1942 ca. 31.000 “Fremdarbeiter” in 280 Lagern.
Selbst in den wenig industrialisierten Stadtteilen Ohlsdorf und Fuhlsbüttel befanden sich 1943 elf Lager mit über 1.200 Menschen.
Kowahl & Bruns
Eines dieser Fuhlsbüttler Barackenlager wurde 1942 von der Firma Kowahl & Bruns beantragt, um Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene dicht am Flughafen unterbringen zu können.
Inhaber der Firma für Garten- und Landschaftsgestaltung waren der Gartengestalter Fritz Kowahl und der Kaufmann Emil Bruns.
Ab 1942 waren sie hauptsächlich mit der Tarnung des Flughafens Fuhlsbüttel und anderer deutscher und europäischer Flughäfen in den besetzten Gebieten beschäftigt.
Um diese Arbeiten und andere Aufträge, wie Tarnung von Rüstungsobjekten, Produktion von Betonplatten für Behelfsbauten und Trümmerbeseitigung durchführen zu können, steigerten sie die Zahl ihrer Arbeitskräfte in den Jahren 1942–44 auf ca. 2.000.
Zu den wenigen fest angestellten Arbeitern kamen überwiegend weibliche Häftlinge aus dem KZ Sasel.
Wie in den Prozess-Protokollen der englischen Besatzungsmacht 1946 nachzulesen ist, war die schwere Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen für die Frauen – meist polnische Jüdinnen – kaum zu bewältigen. In diesen Prozessen gegen die Wachmannschaften des KZ Sasel war der einzige zivile Angeklagte der Kaufmann Emil Bruns, der – wegen Misshandlungen mehrerer Häftlinge auf seinen Baustellen – zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Wie anderen Kriegsgewinnlern war es auch Emil Bruns vom Gefängnis aus möglich, seine Geschäfte weiter zu steuern, um den von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen erwirtschafteten Gewinn in den neuen Staat hinüber zu retten.
Zwangsarbeiterlager Wilhelm-Raabe-Weg 23
Vom 1942 errichteten Zwangsarbeiterlager, bestehend aus drei Wohnbaracken und einer Wasch- und Abortbaracke, sind noch zwei Baracken am authentischen Ort erhalten.
In drei Wohnbaracken waren vermutlich 144 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene untergebracht: Niederländer, Franzosen, Polen und Italiener.
Die meisten von ihnen mussten jeden Tag bei CHF-Müller/Röntgenmüller (heute Philips Medizin Systeme) zwölf Stunden in der Rüstungsproduktion arbeiten.
Niederländische Zwangsarbeiter
Ebenso wie Theo Massuger waren auch die anderen Niederländer durch Drohungen gezwungen worden, in Deutschland zu arbeiten.
Fünf von ihnen besuchten im September 2000 noch einmal die Stätte, an der ihnen die Jugend gestohlen wurde.
Dass sie über ihre Schicksale 56 Jahre später in den erhalten gebliebenen Baracken berichten konnten, war keine Selbstverständlichkeit.
Rettung vor dem Abriss
Im Dezember 1997 wurde die Bredel-Gesellschaft von Stefan Kayser, dem ehemaligen Betreiber des Fuhlsbüttler Naturkostladens “Omnibus” über den geplanten Abriss der letzten beiden Baracken des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers informiert. Hintergrund für diese Aktion war der geplante S-Bahn-Bau zum Flughafen Fuhlsbüttel. Im Januar 1998 sollten die Abrissbagger anrücken. Was war zu tun?
Als erstes gelang es dem damaligen Vorsitzenden der Bredel-Gesellschaft, Hans-Kai Möller, den Ortsamtsleiter Günter Schwarz von der historischen Bedeutung dieser letzten Zwangsarbeiterbaracken zu überzeugen. Dieser erreichte bei der Liegenschaft einen Aufschub des geplanten Abrisses um einige Wochen. Die verbleibende Zeit musste die Geschichtswerkstatt nutzen, um Bündnispartner für den Erhalt zu finden, ein Nutzungskonzept auszuarbeiten, einen preiswerten Sanierungsträger zu finden, ein Finanzierungskonzept zu entwickeln und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.
Diese Sisyphus-Arbeit gelang: Der Ortsausschuss Fuhlsbüttel-Langenhorn unterstützte den Abriss-Stopp politisch. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme befürwortete den Erhalt der Baracken aus wissenschaftlicher Sicht. Die Beschäftigungsgesellschaft “Mook wat e.V.” machte uns ein günstiges Sanierungsangebot, die Bezirksversammlung Hamburg-Nord signalisierte Zuschüsse zur vollständigen Instandsetzung des Daches.
In den folgenden Jahren konnte die Wohnbaracke durch Eigenmittel der Geschichtswerkstatt, Sondermittel der Bezirksversammlung sowie zahlreiche Privatspenden weitgehend saniert und gesichert werden.
Fuhlsbüttler Appell
Während des Besuchs der ehemaligen Zwangsarbeiter entstand der Wunsch nach einem Aufruf für unser Ziel, die Baracken zu einem Informationszentrum über Zwangsarbeit in Hamburg auszubauen. So kam es zum Fuhlsbüttler Appell, den bisher über 500 Bürger unterschrieben haben. Darunter sind Unterschriften von Hamburger Widerstandskämpfern, aber auch von Zwangsarbeitern aus den Niederlanden sowie aus der Ukraine, Weißrussland und Polen, die während eines "Besuchsprogramms für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter" die Baracken aufsuchten.
Das Unrecht Zwangsarbeit darf weder verdrängt noch vergessen werden.
Öffnungszeiten:
Von April bis November
Jeden 1. Sonntag im Monat
14 – 16 Uhr
Wilhelm-Raabe-Weg 23
Sonntag, 2. Mai 2004, 16:00 Uhr, Baracken des ehem. Zwangsarbeiterlagers am Wilhelm-Raabe-Weg 23, Hamburg
Eintritt: Spende
Eintritt: Spende