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Donnerstag, 27. August 2015, 9:43 Uhr

Stickstoff bis der Arzt kommt

Schadstoffwerte am Ochsenzoll dauerhaft über dem Grenzwert

Eine Luftmessstation, dahinter eine breite Straße und ein Wohnhaus.

Eigentlich sollte dieser Messcontainer nach dem Umbau des Knoten Ochsenzoll weniger Stickstoffdioxid messen. Tat er aber nicht (Foto: Infoarchiv).

Infoarchiv Norderstedt | Eigentlich sollte der neugestaltete Knoten Ochsenzoll die Schadstoffbelastung der Anwohner nachhaltig senken. Jetzt bestätigt sich: Die Werte für das gesundheitsgefährdende Stickstoffdioxid liegen weiterhin deutlich über dem gesetzlichen Grenzwert. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ausschließlich nach den Bedürfnissen des Autoverkehrs zu bauen?

Schriftzug "LUFT", dahinter eine Straßenszene.

45 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, so viel Stickstoffdioxid hat die kleine Messanlage am Rande der Ohechaussee im vergangenen Jahr verzeichnet. Dieser Wert liegt nicht nur um 12,5 Prozent höher, als die in der EU-Richtlinie über Luftqualität genannten 40 Mikrogramm, sondern belegt auch ein gerüttet Maß Naivität, mit der Verkehrsplaner in Stadt und Land die Dinge sehen. Der Verkehr, so die irrige Annahme, müsse eben nur ein bisschen mehr "flutschen", dann sinken auch die Schadstoffwerte - zumindest unter die Grenzwerte. Dass auch 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid keinen hohen Spaßfaktor haben, spielte bei den Überlegungen ebenso wenig eine Rolle, wie die Erkenntnis, dass dauerhaft nur eine Verringerung des motorisierten Verkehrs umwelt- und gesundheitsschonend wirkt.

Die allerdings ist mit dem real existierenden Knoten-Neubau in weite Ferne gerückt: Überbreite Fahrbahnen, fehlende Querungsmöglichkeiten für Fußgänger und Radfahrer sowie an den Bedürfnissen des Autoverkehrs angepasste Ampelschaltungen machen den Ochsenzoll seit November 2013 zu einer Art "Auto-Wunderwelt" und - insbesondere nachts - zu einer beliebten und lautstarken Rennstrecke. Nicht ohne Grund erhielt der Knoten Anfang 2015 dafür die wenig schmeichelhafte Auszeichnung des "Goldenen Pannenflickens" für die fahrradunfreundlichste Verkehrsanlage der Republik und ebenfalls nicht ohne Grund machen nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer seitdem einen großen Bogen um den Ochsenzoll - sofern sie die Möglichkeit dazu haben. Gerade einmal 1.000 Fahrräder wurden dort kürzlich bei einer 24stündigen Verkehrszählung festgestellt - bei gleichzeitig 50.000 Autos. Das ist nicht nur ein Bruchteil des eigentlichen Radverkehrsanteils in Norderstedt, der zwischen 17 und 19 Prozent beträgt, sondern auch ein absoluter Spitzenwert für den motorisierten Verkehr.

Mehrspurige Straße, im Hintergrund Hochhäuser, im Vordergrund rechts ein Schild

Der Kreisel Ochsenzoll: Zusammen mit dem Nord-Süd-Tunnel darunter pumpt er täglich bis zu 50.000 Autos durch den Verkehrsknoten (Foto: Infoarchiv).

Obwohl klar scheint, dass sich die Schadstoffwerte ohne eine signifikante Senkung des motorisierten Verkehrs nicht unter den Grenzwert bringen lassen, ist planerisches Umdenken bislang weder in Norderstedt, noch in der Landeshauptstadt zu erkennen. Ganz im Gegenteil: Der Ausbau des letzten noch fehlenden Abschnittes am Knoten (Ulzburger Straße zwischen Ohechaussee und Breslauer Straße) kommt nach letztem Stand sogar ganz ohne Radwege aus, beinhaltet mehr Parkplätze als jemals zuvor und sieht auch nicht vor, die fehlende Ampel zu installieren, die eine Querung von Radlern aus Richtung Schmuggelstieg ermöglichen würde.

"Ca. 14 Personen", antwortete Anne Ganter, Team Nachhaltiges Norderstedt, kürzlich auf eine Anfrage der LINKEN, seien als AnwohnerInnen von der hohen Schadstoffbelastung am Ochsenzoll betroffen, also nur diejenigen, die unmittelbar am Messpunkt zur Straße hin wohnen. Doch auch mehrere Hundert Menschen in der direkten Umgebung sind zumindest einer grenzwertnahen Belastung ausgesetzt. Was das für sie bedeutet, hatte DIE LINKE ebenfalls erfragt: Vorbelastete Kinder könnten an Bronchitis erkranken, für Asthmatiker und Menschen, die an COPD oder Angina Pectoris erkrankt sind, können erhöhte Morbidität- (Erkrankungshäufigkeit) und Mortalitätsraten (Sterbehäufigkeit) nicht ausgeschlossen werden. Und das schon bei Konzentrationen in Höhe des Grenzwertes.

Weil neben Norderstedt bundesweit 30 weitere Messpunkte regelmäßig und meist seit Jahren Werte oberhalb von 40 Mikrogramm feststellen, verliert die EU-Kommission allmählich die Geduld und hat Deutschland kürzlich offiziell gerügt. Und sollte die Bundesregierung in einer für diese Woche erwarteten Erklärung keine ausreichenden Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffbelastung ankündigen, droht gar ein kostspieliges Vertragsverletzungsverfahren.

Veröffentlicht in Verkehr mit den Schlagworten Anne Ganter, Autoverkehr, Knoten Ochsenzoll, Norderstedt, Stickstoffdioxid